EXPERTEN-ARTIKEL Von der „Verti kalen” in die „Horizontale” Nicht nur Studienergebnisse in dieser Publikati on zeigen, dass im Rahmen der Agilisierung historisch gewachsene Struktur- Silos zunehmend durch autonome Netzwerke interagierender Teams ersetzt werden. Auch in der täglichen Beratungspraxis zieht die zunehmende Agilisierung Anpassungen an den Organi- sati onsstrukturen nach. Um agile Strukturen zu implementi eren, müssen Einheiten anders zusammenarbeiten als in der Vergangenheit. Dem „Team“ als kleinste organisatorische Einheit wird eine andere Bedeutung beigemessen als dies bisher der Fall war. Teams, für sich betrachtet, sind autonome Einheiten. Sie werden aus etwa fünf bis zehn Mitarbeitern gebildet – klein genug, um eng zusammenzuarbeiten, aber groß genug, um die notwendigen Fähigkeiten für eine erfolgreiche Ende-zu-Ende-Ausführung einer Aufgabe zu besitzen. Um dies zu erreichen, müssen die Teammitglieder für das End-to-End-Ergebnis ihrer Arbeit verantwortlich sein. Sie sind befugt, den Verantwortlichen zu suchen, um sicherzustellen, dass das Produkt oder der Service alle Bedürfnisse einer Kun- dengruppe erfüllt. In einer bestehenden Linienorganisati on führt dieser Ansatz dazu, dass die bisherigen hierarchischen Linien nun durch eine horizontale Linie von interagierenden Teams ersetzt werden, die auf einen Prozess, einen Service oder eine Leistung für den Kunden ausgerichtet sind. Typischerweise fi nden sich in den Teams auf der Skill-Ebene vergleichbare Spezialisierungen wieder. Hier prägen sich so- genannte „Center of Excellence“ heraus. So ähnelt eine agile Organisati on häufi g einer bekannten Matrixorganisati on. ING nennt die Teams „Squads“, die wiederum in sogenannten „Tribes“ gebündelt werden. Der Austausch zwischen „Squads“ wird als „Chapter“ ti tuliert. Auch eine agile Organisati on kommt ohne Regeln nicht aus. Denn wer hierarchische Strukturen abbaut, ohne neue Regeln vorzugeben, versinkt im Chaos. Teams opti mieren auch ihre eigenen Prozesse. Die Umsetzung dieses strukturierten Ansat- zes spart Zeit, reduziert Nacharbeiten, schafft Möglichkeiten für kreati ve Lösungen und erhöht das Gefühl von Eigenverant- wortung, Verantwortlichkeit und Leistung im Team. Hybride Teamstrukturen mit Planning, Stand-ups und Co. Wer meint, dass mit der Agilisierung Management und Führung überfl üssig werden, muss nur einen Blick über den Teich wer- fen. Amazon oder Apple sind prominente Beispiele der hierar- chischen Führung durch ihre jeweiligen Gründer. Sie ersetzten allerdings einen Großteil der traditi onellen Hierarchie durch ein fl exibles, skalierbares Netzwerk von Teams, das sich beginnend vom Kunden an den Wertschöpfungskett en orienti ert. Dies lässt sich auch auf das Bank- und Versicherungsumfeld übertragen. Die Führungskraft startet auf Grundlage einer gemeinsamen Planung mit einem kurzen täglichen Stand-up- Meeti ng. Darin werden Status und Fortschritt e besprochen und Hindernisse identi fi ziert. Dies können sowohl tägliche Reports zu Linienaufgaben als auch den Stand von Veränderungsauf- gaben umfassen. In diesen kurzen Gruppentreff en, die im Stehen abgehalten werden (Stand-ups), legt jedes Teammitglied dar, wie es mit der Arbeit vorankommt, woran heute gearbeitet wird und welche Hindernisse es dabei geben könnte. Das Team löst Unsti mmig- keiten mit Rückkopplungsschleifen und nicht durch endlose Debatt en oder Appell an Autorität. Die Arbeit in schnellen Zyklen erfordert vollständige Transpa- renz, so dass jedes Team schnell und einfach auf die benöti gten Informati onen zugreifen und mit anderen teilen kann. Beispiels- weise können die Mitarbeiter auf ungefi lterte Daten über ihre Produkte, Kunden und Finanzen zugreifen. Dazu gehört auch, dass die Teammitglieder off en und transparent miteinander umgehen; nur dann kann das Unternehmen ein Umfeld von Sicherheit schaff en, in dem alle Themen angesprochen und diskuti ert werden können und in dem jeder eine Sti mme hat. 26